Hallo,

den Artikel von Lutz Prauser fand ich sehr interessant und wollte gerne eure Meinung dazu lesen.

http://www.testudowelt.de/?p=10434

Wo zieht ihr die Grenze? Wie haltet ihr es?

LG
Petra

In einem stimme ich Lutz zu: Schildkröten sind und bleiben Wildtiere.
In Gefangenschaft gehaltene Wildtiere unterscheiden sich jedoch häufig von ihren wilden Verwandten, sie haben den Menschen als etwas positives kennengelernt. So sind auch meine Tiere zutraulich und zeigen keine Angst vor mir. Bei einem Wildtier wäre das sicherlich völlig anders.
Ich versuche es zumindest, ihnen ihren Lebensraum sowie ihre Ernährung so naturnah wie möglich zu gestalten und sie nicht mehr als nötig zu stören. Dennoch halte ich die Tiere häufiger in Händen, sei es, um sie abends ins Gewächshaus zu verfrachten, wenn eine mal wieder unbedingt draußen übernachten möchte (was mir zu gefährlich ist) oder auch aus anderen Gründen.
Ich vergleiche sie manchmal mit Zootieren. Auch diese sind Wildtiere, die sich mit dem Menschen irgendwie arrangiert haben.
Manchmal denke ich, dass sie im Habitat sicher glücklicher wären, andererseits lauern ihnen bei unserer Haltung auch kaum Gefahren, es sei denn, wir machen Haltungsfehler.

LG
Dani

(Ich will in diesem Beitrag bewusst die perverse, nicht artgerechte moderne Massentierhaltung ausklammern. Und wenn ich Schildkröte schreibe, dann mein ich vor allem die europäischen LSK.)

Als ich vor 30 Jahren meinen ersten Hund bekam, begriff ich, dass das mein erstes Tier ist, das vollkommen zufrieden bei mir ist. Ich hatte als Kind eine Krähe, Frösche, einen Siebenschläfer, ein Eichkätzchen. Beim Hund verstand ich, dass es ein Tier ist, das bei mir ohne Defizit lebt. Ein Haustier eben. Er verhält sich nicht mehr wie der Wolf, von dem er abstammt, sondern hat seine Bedürfnisse geändert.

Auch ein Pferd lebt mit Stall, Weide, Ausritten vollkommen artgerecht. Es fehlen im nicht die weiten Steppen seiner wilden Vorfahren. Es hat seine Bedürfnisse geändert. Es ist kein Wildtier mehr.

Ein Wildtier hat noch die ihm angestammten Bedürfnisse. Eine Schildkröte braucht noch das, was in ihm von Natur aus angelegt ist. Und so müssen wir ihm dieses Angestammte bieten. Ich kann eine Testudo nicht einfach zu mir in die Wohnung nehmen wie einen Hamster oder ein Meerschweinchen. Ich muss ihre Bedürfnisse bestmöglich erfüllen.

UND IN DIESEM SINNE SIND UNSERE SCHILDKRÖTEN WILDTIERE. Die meisten hier im Forum tun ja, was ihnen zu Gebote steht, dass es unseren Tieren gut geht. Und das muss man unbedingt, will man kein Tierquäler sein.

Man muss natürlich einschränkend feststellen, dass die europäischen Landschildkröten von Natur aus ein weites Band von Möglichkeiten haben. Eine Ibera kommt mit dem relativ rauhen bulgarischen Klima zurecht - und auch mit dem Küstenklima in der Südtürkei. Es wird berichtet, dass Boettgeri Jahrzehnte lang in einem aufgehobenen Friedhof in Deutschland ohne menschliches Zutun überleben. Diese Breite der Möglichkeiten kommt uns entgegen und macht eine Schildkrötenhaltung erst sinvoll.

Und noch eine Einschränkung: Meine Ida hat die Verhaltensweise eines Haustieres. Sie hat null Angst, wenn ich auftauche, im Gegenteil, sie kommt mir entgegen gelaufen. Während ihrer Krankheit im Winter musste ich sie oft hochnehmen, und sehr oft täglich für kurze Zeit auf die Wiese tragen, wo sie weidete und ihr Geschäftchen verrichtete. Sie hat auch nicht die mindestenen Anzeichen gezeigt, dass sie das befremdete. Das war für sie vollkommen normal und sie war nie verschreckt. Diese Art von Zahmheit werden viele von uns bei den Schildkröten festgestellt haben.

LG Herbert

Ich stimme Lutz im Allgemeinen zu. Schildkröten sind und bleiben Wildtiere, mit dem Unterschied den ich festgestellt habe.
Mein Alter Wildfang Fränzi die fast 50 Jahre bei uns lebt genießt es Augenscheinlich wenn man sie am Hals krault und zeigt auch sonnst keine Angst vor uns, ist aber wesentlich
schreckhafter und zieht wenn es ihr nicht passt den Kopf zurück und faucht schon mal, sie ist lange nicht so zutraulich wie die von mir Nachgezogenen Schildkröten.
Die in Menschlicher Obhut geschlüpften Schildkröten sind in den meisten Fällen vom ersten Tag an uns Menschen gewöhnt,
sie werden von uns aus den Inkubator geholt werden gewogen vermessen und gebadet, wir heben sie hoch und schauen ob alles in Ordnung mit ihnen ist.
Einige sind so Neugierig und wuseln um einen herum wenn man Arbeiten im Gehege erledigt und sind in meinen Augen so gar nicht mit Wildtieren zu vergleichen.
Unser Racker kommt mir entgegengelaufen wenn ich in der Nähe des Geheges bin und vergisst dann auch schon mal die Weibchen.
VG Andreas

Dieses Verhalten kenne ich auch von Fischen.
Im überfüllten Verkaufsbecken schwimmen alle friedlich herum. Sobald sie dann in einem großen Becken, mit wenig Besatz sind, hat man kleine, revierbildende "Teufel".
Da stellt sich aber für mich die Frage, was ist besser? Beide Seiten haben etwas. Haben sie sich unglücklicher gefühlt, als sie ihr Verhaltensspektrum begrenzt hatten, also nicht ausleben mussten, oder konnten?
(Damit meine ich auch Gundas Beispiele)

Ähnlich geht es mir bei den Schildkröten.
Nehmen wir ihnen zuviel von ihrer "Wildheit", wenn sie sich bei uns recht schnell auf die Vorzüge einstellen können? (Wärme, Futter, Schlafplatz)

LG
Petra

Zitat

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Es gibt Beispiele von Terrarienschildkröten, die angelaufen kommen, wenn der Besitzer ihren Namen ruft. (Wahrscheinlich eine Art Stockholm-Syndrom).

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....der ist gut...

Da stellt sich doch die Frage: WAS kennt eine Terrarienschildkröte (wenn sie die Natur nie live erlebt hat) ? Wie erlebt sie die Welt ? Sie kennt doch nichts anderes .. und da ist es wahrscheinlich angenehm für sie, wenn da jemand kommt, komische Laute von sich gibt und was Leckeres da lässt.
Den Vergleich hat ja nur ein Wildfang - und der würde leiden. Das ist ein richtiges Wildtier. Nachzuchten haben keinen Vergleich. Sie kennen nur das, wo sie hineingeboren werden.

Hallo
Die Antwort ist für mich ( fast ) klar.Die Sk. die in der Gefangenschaft geboren werden kennen nur das was man ihnen anbietet. Wenn sie nur einen kleinen Sandkasten haben können Sie Ihren Instinkte nicht folgen. Es ist nur ein stumpfes da sein ihrer selbst
.Gibt man ihnen mehr Platz ,werden sie es nach einer Zeit auch ausleben können, und dann kommt es auch manchmal zu auseinander Setzung. Das gehört da zu , und das ist auch gut so.
Ich schicke mein Kind ja nicht mit den besten Sonntags Sachen nach draußen und sage:
Spiel schön hab Spaß , aber mach dich nicht schmutzig.
Jeder sollte seinen gesunden Instinkten best möglich nachkommen dürfen. So wie es die Gegebenheiten zu lassen.
Nur weil Sk.sich auf kleinem Raum verstehen heißt es nicht das sie zufrieden sind.
L.g.Anja

Bei meinen Überlegungen habe ich nicht unbedingt an die falsche Haltung gedacht. Terrarium, Sandkasten, usw. Da habe ich mich vielleicht auch durch die Beispiele falsch ausgedrückt.

Lutz Prauser geht meiner Meinung nach auch von einer "artgerechten" Haltung aus.
Im Prinzip haben Haustiere sicherlich eine Überlebenschance in freier Wildbahn. Sie wurden aber domestiziert, sprich, häuslich gezüchtet.

Nachzuchten könnten aber tatsächlich, so wie sie aus dem Ei schlüpfen, in freier Wildbahn überleben, ohne einen Unterschied zu ihren wildlebenden Artgenossen.
Wie Herbert schrieb, gab es schon Fälle, dass sie Jahrzehnte lang, ohne menschliches Zutun auf diesem Friedhof überlebt haben. Andere Halter haben nur eine kleine Schutzhütte
im Garten und ihre Tiere leben dort das ganze Jahr über.

Das sind sicherlich Extreme. Habitatsähnliche Zustände zu schaffen, gehört bestimmt zur Pflicht des Halters.
Wie handelt man dann aber weiter?

Man kann ihnen jetzt ein Rundum sorglos Paket anbieten, drastisch formuliert. Sie gewöhnen sich an die Vorzüge.
Oder sie müssen noch ganz bewusst als Wildtiere leben, ihrem Instinkt folgen -- man macht es ihnen nicht ganz so gemütlich.

Ich wiederhole mich, beide Seiten haben was. Wo legt man den Schwerpunkt, was ist einem wichtiger?

Lg
Petra

@Gunda Ich habe Wildtiere die am Haus wohnen.
Wenn ich es 100% wie ein Wildtier behandeln würde, brauchte ich nicht danach zu schauen ,bräuchte auch keine Zäune . Sie könnten kommen und gehen wie sie wollten. Möchte ich aber nicht. Möchte mich daran erfreuen sie im Frühjahr aus der Erde kommen zu sehen . Wie sie durchs Gehege schreiten nach Herzenslust Kräuter fressen und wenn es warm ist durch die Badeschale laufen. Ich versuchte es meinen so Wild wie möglich zu zumachen aber so behütet wie nötig.
Manchmal über schneidet es sich.
L.g.Anja

@gunda Unsere Beiträge haben sich gestern etwas überschnitten. Wie, wo und ob eine "Grenze" gezogen werden sollte, weiß ich auch nicht.
Mir geht es nur ähnlich wie Herbert, bei unserem Hund hatte ich das Gefühl, wenn er ständig bei uns hätte sein können, wäre er am glücklichsten gewesen.

Bei meinen Schildkröten habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass sie mich auch nur eine Sekunde vermissen würden.
Das müssen sie aber auch gar nicht. Sie verbinden mich nicht mit einem positiven Erlebnis.

Was die Haltung der Tiere betrifft, egal ob man sie jetzt als Haus/Nutz-oder Wildtiere bezeichnet gebe ich dir absolut Recht, da sollte man sich immer an den Bedürfnissen der Tiere
orientieren und da darf es auch keine Unterschiede geben.

LG
Petra

Ihr habt recht, wenn ihr sagt, dass man keine scharfen Grenzen ziehen kann. Und wie ihr festgestellt habt, der Weg der Domestizierung ist keine Einbahnstraße, die kann rückgängig gemacht werden, wie man immer wieder sieht.

Andererseits möchte ich schon festhalten, dass z.B. die Bedürfnisse eines Hundes sich von denen des Wolfes schon in wesentlichen Dingen unterscheiden. Obwohl aus dem Hund zwar kein Wolf, aber ein Wildhund werden kann - wenn er nicht zu überzüchtet ist. Und bei der Schildkröte ist das einwandfrei noch nicht der Fall. Die hat die Bedürfnisse 1 : 1 wie in der freien Natur, obwohl sie von ihrer Anlage her - wie ich gesagt habe - Kompromisse machen kann.

Dann muss man noch sagen: Nicht jedes Tier eignet sich zu Domestizierung - und der Mensch hat vorerst nur solche verwendet, die er brauchen kann und - die sich für die Domestizierung eignen. Also ein Reh wird über viele Generationen ein Reh bleiben, vermute ich. Und außerdem eignet es sich nicht zur Domestizierung, weil die zahmen Böcke lebensgefährlich werden, wenn sie in die Geschlechtsreife kommen. Da hat es schon viele tödliche Zwischenfälle gegeben, auch in Wildparks. Warum wurde das Kaninchen domestiziert und nicht der Hase? Weil der Hase dazu nicht geeignet ist. Er bleibt auch in Gefangenschaft scheu.

Bei Füchsen ginge es - es wären einfach andere Hunde.

Und wie ist es bei den Schildkröten?

LG Herbert